Tao te king
Das Daodejing ist eine Sammlung von Spruchkapiteln, die der chinesischen Legende nach von einem Weisen namens Lǎozǐ stammt, der nach der Niederschrift des Dàodéjīng in Richtung Westen verschwand. Es beinhaltet eine humanistische Staatslehre, die die Befreiung von Gewalt und Armut und die dauerhafte Etablierung eines harmonischen Zusammenlebens und letztlich den Weltfrieden zum Ziel hat. Die Entstehungsgeschichte ist ungewiss und Gegenstand sinologischer Forschung.
Unabhängig von anderen Übersetzungen bedeutet Dao Weg, Fluss, Prinzip und Sinn und De Tugend, Güte, Integrität und innere Stärke. Jing bezeichnet ein kanonisches Werk, einen Leitfaden oder eine klassische Textsammlung. Beide Namen stehen für etwas nicht endgültig Bestimmbares, auf dessen eigentliche Bedeutung das Buch hinweisen möchte.
Aus diesem Grund sind sie oft unübersetzt geblieben. Das Daodejing gilt als Gründungstext des Daoismus. Obwohl der Daoismus verschiedene Strömungen umfasst, die von den Lehren des Daodejing erheblich abweichen können, wird es von den Anhängern aller daoistischen Schulen als kanonischer und heiliger Text angesehen.
Das Buch
Schreibweisen
In der chinesischen Schrift gibt es neben verschiedenen Orthographien auch verschiedene Schriftsysteme. Neben den verschiedenen Schriftarten unterscheidet man heute zwischen den bereits im Kaiserreich verwendeten Langzeichen, die nur noch in Hongkong, Macau und Taiwan offiziell sind, und den in der Volksrepublik geschaffenen Kurzzeichen, die in Festlandchina, Singapur und Malaysia als offizieller Standard gelten.
In älteren historischen Quellen wird das Daodejing in Langzeichen wiedergegeben, in neueren Quellen auch in Kurzzeichen. Auch für die Transkription der Schriftzeichen in das lateinische Alphabet gibt es verschiedene Systeme; das für das Hochchinesische am weitesten verbreitete und inzwischen in allen Staaten, in denen Chinesisch Amtssprache ist, offizielle System ist das Hanyu-Pinyin-System.
Urheberschaft
Laozi ist ein Ehrentitel und bedeutet soviel wie „der alte Meister“ und bezeichnet den mutmaßlichen Autor des Daodejing, gelegentlich aber auch das Buch selbst. Über die Person, die als Autor vorgestellt wird, gibt es außer dem Werk selbst nur eine kurze Legende und einige Erwähnungen bei späteren Historikern sowie mehrere fiktive Gespräche. Die Existenz des „Beamten“ Li Er, Gelehrtenname Bo Yang, später Lao Dan, der mit dem Ehrennamen Lǎozǐ bezeichnet worden sein soll, wird daher heute stark bezweifelt.
„Und doch spricht uns aus den vorliegenden Aphorismen eine originale und unnachahmliche Persönlichkeit an, unseres Erachtens der beste Beweis für ihre Geschichtlichkeit.“ (R.Wilhelm)
Dieser Behauptung Richard Wilhelms muss schon deshalb widersprochen werden, weil die einzelnen Kapitel des Daodejing erhebliche Unterschiede im Sprachstil aufweisen, so dass der Text sicher nicht aus einer Feder und auch nicht aus der Lebenszeit eines einzigen Menschen stammt. Da die chinesische Sprache im Allgemeinen nicht zwischen Singular und Plural unterscheidet, könnte die Bezeichnung Lǎozǐ auch einfach die alten Meister bezeichnen.
Nach chinesischer Überlieferung soll Lǎozǐ zur Zeit der Frühlings- und Herbstannalen im 6. vorchristlichen Jahrhundert gelebt haben. Es war eine Zeit der Unruhen und Kriege und eine Blütezeit der chinesischen Philosophie, da viele Gelehrte darüber nachdachten, wie Frieden und Stabilität wiederhergestellt werden könnten. Der Legende nach war Lǎozǐ ein kaiserlicher Archivar und Bibliothekar.
So wird von Zhuangzi berichtet, dass Konfuzius ihn aufsuchte, um von ihm zu lernen. Um den Wirren der Zeit zu entfliehen, soll sich Lǎozǐ in die Einsamkeit der Berge zurückgezogen haben. Der Grenzwächter des Gebirgspasses soll ihn jedoch aufgefordert haben, seine Weisheit der Welt nicht vorzuenthalten, woraufhin Lǎozǐ das Daodejing schrieb und dem Grenzwächter übergab. Diese Geschichte wird heute, wie auch die anderen Teile der Biographie des „Alten Meisters“, von den meisten als Legende angesehen.
Textgestalt
Da die Autorschaft unklar ist, gehen die Meinungen in der Forschung über die genaue Entstehungszeit des Daodejing weit auseinander: Die Schätzungen reichen von 800 bis 200 v. Chr.; nach heutigen Erkenntnissen (sprachlich, Zitatbelege etc.) dürfte der Text um 400 v. Chr. entstanden sein.
Zwar finden sich Zitate aus dem Dàodéjīng in vielen anderen Überlieferungen dieser Zeit, doch lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, wer wen zitiert hat. Das Daodejing enthält eine Handvoll expliziter Zitate, aber keine Namen der Autoren und keine historischen Bezüge. Die zeitliche Einordnung des Textes scheint jedoch für die „zeitlose“ Lehre, die er enthält, von geringer Bedeutung zu sein.
Form
Den Titel Daodejing erhielt das Werk erst unter dem Han-Kaiser Jing (157-141 v. Chr.). Auch die heutige Einteilung in 81 Abschnitte erhielt der Text erst im 3. Man geht davon aus, dass der Text die schriftliche Fassung einer älteren mündlichen Überlieferung ist und weitere Überlieferungen aufgenommen und integriert hat. Die überlieferte Form des Textes ist nicht die einzige, die jemals existiert hat. In einem Grab in Mawangdui wurden 1973 zwei parallele Textfassungen (ca. 206 v. Chr. und 179 v. Chr.) gefunden, die inhaltlich erstaunlich wenig, meist nur grammatikalisch, vom überlieferten Text abweichen.
Die Version A ist in einer Schrift zwischen Siegel- und Kanzleischrift verfasst, während die Version B in Kanzleischrift geschrieben wurde. Ähnliches gilt für den erst Anfang der 1990er Jahre entdeckten sogenannten Guodian-Text (ca. 300-280 v. Chr.), der etwa ein Drittel des Textes (32 Kapitel ganz oder teilweise) um ca. 100 Jahre näher an das Original heranrückt; beide Funde wurden im Westen vor allem von dem amerikanischen Sinologen Robert G. Henricks zeichenweise analysiert und mit dem überlieferten Text verglichen.
Merkmale
Das Daodejing enthält nicht weniger als eine Kosmologie, zugleich eine Art Leitfaden für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung und auch einen politischen Leitfaden für die Haltung des Herrschers und die Entwicklung des Staates. Stil und Wortschatz sind typisch für das klassische Chinesisch. Die Informationsdichte, die bereits durch die sprachliche Struktur des klassischen Chinesisch gegeben ist, wird durch die Form des Textes als ursprünglich zu ca. 80% gereimtes Gedicht noch verstärkt. Es besteht eine extreme Kontextabhängigkeit der Textinterpretation. Darüber hinaus enthält der Text einige auf den ersten Blick rätselhafte und schwer verständliche Passagen, die inzwischen wissenschaftlich erforscht sind.
Übersetzungen
Das Daodejing gilt als der nach der Bibel meistübersetzte Text – es gibt etwa 300 englische, über 100 deutsche und mindestens 300 weitere Übersetzungen (davon etwa 70 ins Spanische, 60 ins Französische, je 50 ins Italienische und Niederländische), wobei die Zahl sowohl guter wissenschaftlicher Arbeiten als auch rein interpretierender Laienfassungen rasch zunimmt.
Der Umgang mit Übersetzungen dieses Textes ist problematisch: Schon im Chinesischen bereiten die Überlieferungsschäden und die inhaltliche Mehrdeutigkeit der chinesischen Schriftzeichen den Interpreten Schwierigkeiten, weshalb mehrere hundert Kommentare zum Text entstanden sind. Durch die Übersetzung in eine andere Sprache verliert der Text noch mehr an Klarheit, und schließlich ist es kaum zu vermeiden, dass der Übersetzer in seinem Bemühen, einen lesbaren Text zu liefern, in die Irre geführt wird.
Wenn ein Übersetzer mit seiner Übersetzung zugleich nur eine von mehreren möglichen Deutungen vorlegt oder aber in dem Bemühen, verschiedene Deutungsansätze in einem Ausdruck zusammenzufassen, kaum noch lesbare Wortschöpfungen entstehen, sind neuere Arbeiten mit Angaben zur Arbeitsweise und Entstehung der Übersetzung ein wichtiger Anhaltspunkt für Leser und westliche Daoisten.
Die erste Übersetzung des Daodejing in eine westliche Sprache erfolgte um 1720 durch den Jesuiten Jean-François Noëlas ins Lateinische.
Der Inhalt
Dao und De
Der heutige Titel des Werks – „Das Buch vom Dao und vom De“ – verweist auf die beiden zentralen Begriffe der Weltanschauung Lǎozǐs. Es gibt verschiedene Übersetzungen dieser beiden Worte; relativ verbreitet sind „Weg“ und „Tugend“, die schon im 19. Jahrhundert Verwendung fanden. Richard Wilhelm hielt das moralisierende „Tugend“ für abwegig und sah weitreichende Übereinstimmung mit den Begriffen „Sinn“ und „Leben“, was ihm einige Kritik einbrachte.
Die Bezeichnungen Dào und Dé werden in allen Richtungen chinesischer Philosophie verwendet, erhalten im Daodejing aber eine besondere Bedeutung, wo sie erstmals im Sinne einer höchsten oder tiefsten Wirklichkeit und eines umfassenden Prinzips gebraucht wurden.
Das Daodejing nähert sich diesen Begriffen, insbesondere dem Dao, nicht definitorisch, sondern grenzt es – wie es bei Begriffen wie „Wahrheit“ oder „Liebe“ angemessen ist – durch Verneinung ein: Wenn schon nicht positiv gesagt werden kann, was es ist, so doch, was es nicht ist.
Das Dao durchzieht als Ursprung, wandelnd formende Urkraft und immanenter Zusammenhang allen Seins alle Erscheinungen der Welt, es durchdringt als Prinzip, das sich durch tiefe Einsicht in die Erscheinungen erschließt, alles, was ist und geschieht. Indem es im Gegensatz zu partiellen Gedanken und Vorstellungen allem Sein zugrunde liegt, ist es ewig. Das Daodejing veranschaulicht dies in Gleichnissen.
Der erste Teil des Zeichens dé hat die ursprüngliche Bedeutung von Wegkreuzung (彳). In diesem Zeichen bedeutet es, dass es sich um einen Ausdruck handelt, der sich auf die Art und Weise bezieht, wie man auf Menschen und Dinge zugeht, welchen „Weg“ man einschlägt. bedeutet „auf geradem Weg“; auch die Augen kommen in diesem Zeichen vor, d.h. sich am richtigen, korrekten Weg zu orientieren.
Das ausführende Organ ist das Herz, das alle Funktionen der Geistseele (Sendung, Bewusstsein, Wahrnehmung, Empfindung) umfasst. Das alte Wörterbuch shuo-wen erklärt die Bedeutung folgendermaßen: „im Äußeren den (anderen) Menschen erreichen, im Inneren das eigene Selbst erreichen“. Es geht also um den angemessenen, aufrichtigen, geraden, direkten Weg zum eigenen Herzen und zum Herzen des anderen. Die Fähigkeit, sich selbst und anderen begegnen zu können und echte Berührung zu ermöglichen.
Der Weise
Ein großer Teil des Daodejing ist der Figur des Weisen, Heiligen oder Berufenen gewidmet, der die Berücksichtigung des Dao in seinem Handeln zur Meisterschaft gebracht hat. Viele Kapitel enden mit den Lehren, die er aus seinen Beobachtungen gezogen hat. Es liegt auf der Hand, dass sich gerade ein Regierungschef an diesem Vorbild orientieren sollte, da seine Entscheidungen das Schicksal vieler Menschen beeinflussen.
Besonderes Augenmerk gelte dabei der Selbstzurücknahme bis hin zur Selbstverleugnung. Gerade dass er nichts Eigenes wolle, bedinge die Vollendung des Eigenen. Er beanspruche seine Produkte und Werke nicht für sich. Vielmehr ziehe er sich danach zurück. Gerade das Nicht-Verweilen beim vollendeten Werk sei das Dao des Himmels, was die positive Wirksamkeit dieser Vorgehensweise noch unterstreiche.
Es geschehe von selbst, ohne Streit, ohne Reden, ohne Winken. Der Weise verweilt im Tun ohne Handeln. Sein Wert liege in der Lehre ohne Worte, die besonders schwer zu erreichen sei. Sie wird nicht weiter erklärt, so dass man seine eigene Vorstellungskraft benutzen muss, um diesen Ausdruck mit Bedeutung zu füllen.
Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Daodejing)