Die Energie des Qi

In der tradi­tio­nel­len chine­si­schen und ostasia­ti­schen Kultur gilt Qi als Lebens­kraft, die jedem Lebe­we­sen inne­wohnt. Wört­lich bedeu­tet Qi “Dampf”, “Luft” oder “Atem” und wird oft mit “Lebens­en­er­gie”, “Lebens­kraft”, “mate­ri­elle Ener­gie” oder einfach mit “Ener­gie” über­setzt. Sie glaubte, dass es alles durch­dringt und ihre Umge­bung mitein­an­der verbin­det.

Die Vorstel­lung vom Qi prägt bis heute das Welt­ver­ständ­nis vieler Menschen in Asien und zuneh­mend auch im Westen und hat Bedeu­tung für verschie­dene Reli­gio­nen. In adap­tier­ter Form findet das mit dem Begriff verbun­dene Konzept seit dem 19. Jahr­hun­dert auch Eingang in das west­li­che Denken, insbe­son­dere als Bestand­teil esote­ri­scher Lehren.

Qi ist auch das zentrale Grund­prin­zip der tradi­tio­nel­len chine­si­schen Medi­zin und der chine­si­schen Kampf­künste. Die Praxis der Kulti­vie­rung und des Ausgleichs des Qi wird als Qigong bezeich­net. Die Anhän­ger des Qi beschrei­ben es als Lebens­kraft, deren unge­hin­der­ter Fluss für die Gesund­heit notwen­dig ist.

Natur des Qi

Nach der Vorstel­lung der altchi­ne­si­schen Kultur und des Daois­mus durch­dringt und beglei­tet Qi alles, was exis­tiert und geschieht. Als Substanz, aus der das gesamte Univer­sum sowohl in physi­scher als auch in geis­ti­ger Hinsicht besteht, wird es als Lebens­en­er­gie, Lebens­kraft oder kosmi­scher Geist, der alles durch­dringt, vorge­stellt, ist aber weder physi­scher noch geis­ti­ger Natur. In einer sich stän­dig verän­dern­den Wirk­lich­keit ist Qi die einzige Konstante.

Nach daois­ti­scher Vorstel­lung entstand die Welt aus dem ursprüng­li­chen Qi, in dem Yin und Yang noch vermischt waren. Erst durch die Tren­nung des Einen entstan­den Himmel und Erde. Nach diesen Vorstel­lun­gen atmen Himmel und Erde wie der Mensch. Ihr Fluss ist wie beim Menschen beim Einat­men rein und unver­dor­ben und beim Ausat­men verbraucht.

Der Tag glie­dert sich daher in zwei Abschnitte: Zwischen Mitter­nacht und Mittag ist die Zeit, in der Himmel und Erde atmen. Nur in dieser Zeit soll­ten Atem­übun­gen gemacht werden, weil nur dann posi­tive Ener­gie aufge­nom­men werden kann, nicht aber in der Zeit zwischen Mittag und Mitter­nacht, weil dann Himmel und Erde ausat­men.

Lehren auf der Grundlage des Qi

Das Qi des Menschen war schon immer von beson­de­rem Inter­esse. So entwi­ckel­ten sich eine Reihe von Lehren und Tech­ni­ken, die versuch­ten, durch gezielte Beein­flus­sung des Qi bestimmte Wirkun­gen zu erzie­len. Dabei wurde der allge­meine Begriff „Qi“ weiter verfei­nert, wenn von spezi­el­len Phäno­me­nen oder Vorgän­gen die Rede ist.

Neokonfuzianismus

Qi spielte eine wich­tige Rolle in der Lehre des neokon­fu­zia­ni­schen Philo­so­phen Zhu Xi, der versuchte, die beiden großen tradi­tio­nel­len Lehren des alten China, den Daois­mus und den Konfu­zia­nis­mus, mitein­an­der zu verbin­den. Zhu Xi unter­schied zwischen Qi, dem mate­ri­el­len Aspekt der Wirk­lich­keit, und Li, dem Prin­zip, also dem forma­len Aspekt. Die Verbin­dung dieser beiden Aspekte der Wirk­lich­keit führt seiner Meinung nach zur Entste­hung der sicht­ba­ren Welt.

Qigong

Als Meditations‑, Konzen­tra­ti­ons- und Bewe­gungs­form zur Kulti­vie­rung von Körper und Geist beschäf­tigt sich Qigong („Arbeit am Qi“) mit der Stär­kung und Harmo­ni­sie­rung des Qi im mensch­li­chen Körper. Qigong gilt auch als eine der fünf Säulen der Tradi­tio­nel­len Chine­si­schen Medi­zin.

Feng Shui

Feng Shui betrach­tet die Bezie­hung des Menschen zu seiner Umge­bung. Es geht darum, diese so zu gestal­ten, dass sie für den Menschen ange­nehm und förder­lich ist und damit den Fluss des Qi im Körper güns­tig beein­flusst. Ebenso sollen ungüns­tige oder schäd­li­che Wirkun­gen besei­tigt werden. So spricht man im Feng Shui z.B. vom „schlech­ten Qi des Bade­zim­mers“, wenn es um die schäd­li­chen Einflüsse geht, die von einem Bade­zim­mer ausge­hen.

Kampfkünste

In vielen fern­öst­li­chen Kampf­küns­ten spielt die bewusste Wahr­neh­mung und Kontrolle des Qi eine Rolle. Beispiele sind insbe­son­dere die inne­ren Kampf­künste wie Taiji­quan und Aikidō, aber auch die Shao­lin-Kampf­künste oder Tai Chi. Einer­seits soll das Üben der Kampf­kunst den Fluss des Qi stär­ken und harmo­ni­sie­ren. Ande­rer­seits soll der Prak­ti­zie­rende das Qi auch für die Kampf­kunst nutzen können.

So wird beispiels­weise die Fähig­keit eines Kämp­fers, beim Bruch­test dicke Bret­ter mit einem Schlag zu zertei­len, ohne sich dabei zu verlet­zen, darauf zurück­ge­führt, dass er durch lang­jäh­ri­ges Trai­ning in der Lage ist, das Qi auf einen schma­len Bereich der Hand­kante zu konzen­trie­ren.

Die Kraft des Qi zeigt sich neben der Frei­set­zung von Kraft auch in der Aufmerk­sam­keit für den Qi-Fluss in einer Konflikt­si­tua­tion, die es dem Kampf­künst­ler ermög­licht, die Absich­ten des Gegners früh­zei­tig wahr­zu­neh­men. Einige Kampf­künste wie das Aikido entwi­ckel­ten daraus das Prin­zip des Aiki, d.h. die Abstim­mung der Bewe­gung auf das univer­selle Qi mit dem Ziel, die gegen­sätz­li­chen Ener­gien zu harmo­ni­sie­ren.

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